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Ich hasse tote Tiere

Traurige Nachrichten

Entschuldigt bitte den drastischen Titel dieses Textes, aber genau dieser Gedanke ist mir durch den Kopf geflogen, als ich sah, dass meine Mitarbeiterin mich mehrfach versucht hat zu erreichen. Wir haben ein System entwickelt und eigentlich fängt dieses alles ab, wenn ich im Urlaub bin. Sehe ich mehrere Anrufe oder Nachrichten, weiß ich, dass etwas passiert sein muss. Eben dieser Satz ist mir sofort durch den Kopf geschossen. Mein Bauchgefühl und meine Befürchtung bestätigten sich, denn leider musste Alex mir erzählen, dass schon am Vorabend, eins meiner neuen Hühner gestorben ist. Die wunderbare Lari. Dass ich sofort angefangen habe zu weinen, muss ich wohl nicht extra erzählen. Ich habe in den letzten Monaten viel an mir gearbeitet, kenne meine Muster und Traumata und weiß, was mich sofort an meine Grenzen bringt. Ein Todesfall gehört definitiv dazu.  Abgesehen davon, dass alte Wunden sofort aufreißen. 


Mich hat die Nachricht unglaublich getroffen. Vor allem, weil Lari quicklebendig war, als wir in den Urlaub gefahren sind. Fidel, lustig, ließ sie sich noch vor der Abreise streicheln und wirkte 100 % gesund. Dass dieser Zustand nicht annähernd der Wahrheit entsprach, habe ich tatsächlich erst in den letzten Tagen erfahren, aber lasst mich einmal von vorne anfangen. 


Lari ging es schon den gesamten Vortag nicht wirklich gut. Das habe ich aber erst gesehen, als ich auf die Kameras geschaut habe und sehen musste, wie sie sich gequält hat und schließlich gestorben ist. Alex war eine halbe Stunde, bevor sie auffällig wurde, noch im Stall, hat gefüttert und sauber gemacht. Zu diesem Zeitpunkt wirkte sie absolut gesund und wohlauf. Ihr Zustand verschlechterte sich plötzlich, nachdem sie sich in den Stall verzogen hatte, innerhalb von Minuten. Und obwohl ich sicherlich einiges an Tiererfahrung habe, ist es mir ein absolutes Rätsel, wie es ihr so schnell so schlecht gehen konnte.

Per Kamera konnte ich nachverfolgen, wie sie sich auf ihre letzte Reise begab und irgendwann aufhörte zu atmen. Glaubt mir, ein grausames Bild. Aber ich war zu diesem Zeitpunkt schon im Funktioniermodus. Verstehen und wissen was passiert ist und gleichzeitig Dinge regeln statt entspannt am Pool Cocktails schlürfen. 

Meine liebe Mitarbeiterin, die Lari abends gefunden hat, trifft absolut keine Schuld. Sie war natürlich trotzdem sehr getroffen und es ist furchtbar so eine Nachricht zu überbringen. 

Ich machte mir selber Vorwürfe, wieso ich nicht früher zu erreichen war. Aber ich weiß, dass es nichts geändert hätte.

Ich hasse tote Tiere
Funktioniermodus

Aber jetzt konnte ich etwas tun und ich habe die Gabe in diesem Modus in kurzer Zeit unfassbare Ressourcen zu mobilisieren, Dinge herausfinden, recherchieren, Infos verstehen und Wege zu finden, um mit der Situation umzugehen. Meine Sorge galt sofort den anderen Hühnern. Für mich war klar, dass ich Lari obduzieren lassen möchte, um zu verstehen, was da passiert ist. Tatsächlich griff hier ein Zahnrad ins Nächste und wir durften Lari auch nach den offiziellen Öffnungszeiten noch in der Pathologie vorbeibringen. 


Eine Obduktion ist etwas, das wohl sehr wenige Hühnerbesitzer machen. Und ich habe in diesen Stunden die Erfahrungen gemacht, dass Hühner für sehr viele Menschen eben Nutztiere sind. Ein Hühnerleben ist nicht unbedingt viel wert. 

Ich sprach mit dem Züchter, ich sprach mit anderen Hühnerbesitzern, mit zwei Tierärzten und kann mit etwas Abstand sagen, dass es wohl nur 2 Lager unter privaten Hühnerhaltern gibt. Und hier zähle ich auch Hobbyzüchter hinzu. Es gibt die, für die Hühner wie Haustiere sind, die sie genauso lieben wie ich sie liebe. Die alles für ein Huhn tun würden und die ein Hühnerleben nicht in Euro berechnen, sondern in Liebe.

Und dann gibt es die, für die Hühner eben Nutztiere sind. Wo es um die Frage geht, ob man das Fleisch vom toten Huhn noch essen kann. Wie viele Eier es legt und ob ein Bestand gefährdet ist. Wo selten vom einzelnen Huhn gesprochen wird. Dafür immer vom Bestand, der Zucht oder eben dem Eieraufkommen. Wo ziemlich klar kommuniziert wird, dass eine Obduktion für 40 € absoluter Schwachsinn ist, wenn man dafür quasi zwei neue Hühner bekommen kann. 


Dieser Fakt hat mich kalt erwischt. Mir war nicht klar, dass ich nicht nur eine bekloppte Wendy, sondern anscheinend auch eine absolut bekloppte Hühnermutti bin. Zumindest in den Augen von erschreckend vielen. 

Für mich war jedenfalls klar, dass ich wissen möchte, woran Lari gestorben ist. Um zu verstehen und auch um meine anderen Hühner schützen zu können. Mir fiel ein Riesenstein vom Herzen, als Lari rechtzeitig in der Pathologie angekommen war. Ich möchte schon jetzt so weit vorgreifen, dass mich das Ergebnis der Obduktion fast noch mehr schockt als ihr Tod. 

Ich hasse tote Tiere
Ist doch nur ein Huhn

Manche mögen jetzt denken, was ein Aufsehen für ein Huhn. Aber mir ist absolut egal, um welches Tier es sich handelt. Ein Pferd, ein Huhn oder ein Schaf, mein Hund oder meine Katze. Für mich zählt jedes Leben dieser Tiere und ich kann den leichtfertigen Umgang mit einem Tierleben absolut nicht nachvollziehen. 

Ich bin unglaublich froh, dass ich in diesen Tagen auch Kontakt mit Menschen habe, die es ähnlich sehen wie ich. Denen ihre Tiere am Herzen liegen. Wo auch jedes Leben zählt und man sicherlich versucht, jedes Tier zu retten. Egal ob es etwas kostet und ob es wirtschaftlich sinnvoller wäre, einen neuen Eierproduzenten zu kaufen. 

Meine Hühner sind für mich keine Eierproduzenten. Meine Hühner sind Haustiere und Familienmitglieder. Dass sie nebenbei auch Eier legen und uns diese schenken ist wundervoll, aber sicherlich nicht der Grund, dass sie hier leben. 


Long Story Short, ich habe einen Geflügeltierarzt gefunden, der am nächsten Tag zu uns kommen konnte, um die anderen Hühner anzuschauen. Ein Transport war mir zu diesem Zeitpunkt zu risikoreich. Am Telefon sagte man mir, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass dabei das nächste Huhn verendet. 

Vielleicht eine wichtige Seiteninfo für euch: Hühner sind tatsächlich noch krasser als Pferde. Sie zeigen nicht, dass sie krank sind. Sie zeigen nicht, dass ihnen etwas fehlt, weil sie dann viel leichter Opfer eines Angriffs werden können. Bis zum Schluss wirken sie oft gesund und sehr lebendig, auch wenn es ihnen sehr schlecht geht. Bei den anderen Hühnern war mir bis auf aufwändigeres atmen bei Vanille und Fari nichts aufgefallen. Und das Atmen war laut vieler Infos eine Reaktion auf die Hitze, da Hühner nicht schwitzen können. 


Fakt ist, und das weiß ich seit dem Tierarztbesuch, dass es einigen Hühnern nicht gut geht. Dass dies kein großes Wunder ist, weiß ich, seitdem ich den ersten Pathologie-Bericht bekommen habe. An dieser Stelle möchte ich loswerden, wie absolut begeistert ich von der Arbeit der Pathologie bin. Allein der erste Bericht ist unglaublich detailliert und professionell. Ich werde auf die Ergebnisse eingehen, wenn wirklich alle vorliegen. Soviel vorab. Lari ist wohl schon sehr krank zu uns gekommen. Sie wäre auch mit früherem Eingreifen nicht zu retten gewesen. Allerdings hätte ich ihr gerne den Tod über Stunden erspart und ihr auf dieser Reise geholfen. 


Die anderen Hühner werden aktuell auf diversen Wegen behandelt. Zumindest die Dinge, die man behandeln kann. Ob auch sie noch mehr in sich stecken haben, kann man aktuell nicht sagen. Ich habe aber für den Worst Case einen Plan mit der Tierärztin besprochen. 

Und nun? 


Ich bin jetzt zurück in Ponyhausen und das beklommene Gefühl verlässt mich heute einfach nicht. Mir ist klar, dass bei mir viele Wunden aufgerissen werden, wenn ein Tier stirbt. Cantolino, Fiete, jetzt Lari. Viele mögen sagen, es ist doch nur ein Huhn, aber für mich war Lari nicht nur ein Huhn. Sie ist eins meiner Tiere und meinen Tieren verspreche ich ein möglichst gutes und möglichst langes Leben in Ponyhausen. Dass sie uns so früh verlässt, tut weh. Auch wenn bei ihr kein Unfall dazu geführt hat, sondern viele Faktoren, unter anderem eine schwere Krankheit, weiss ich nicht, ob ich irgendwann besser mit dem Tod umgehen kann. Hühner haben eine Lebenserwartung, die deutlich unter der von Pferden oder Hunden liegt. Sicherlich muss ich mich dran gewöhnen, dass ich dem Tod mehr begegnen werde.  Aber ich denke, wir sind uns alle einige, dass es einen Unterschied macht, ob ein junges Huhn stirbt, oder eben eins, dass ein wundervolles Leben hatte. 

Der plötzliche Tod und die Machtlosigkeit machen mich aktuell einfach unfassbar, traurig und beklommen, und noch viel mehr trifft mich tatsächlich, wie Menschen damit umgehen. 

Menschen, die selber Hühner haben, Menschen, die andere oder keine Tiere haben, Menschen, die darüber urteilen, wie man trauern darf. Menschen, die glauben, sich anmaßen zu können, was man fühlen und was man nicht fühlen darf. Was lächerlich ist oder in ihren Augen übertrieben. Paris Tod trifft mich und tut weh. Aber tatsächlich trifft mich die Empathielosigkeit gegenüber Lebewesen und gegenüber Menschen und ihren Gefühlen genauso tief, wie Laris Tod.

Jeder darf fühlen, was er fühlt. Lasst euch bitte niemals sagen, was zu viel oder zu wenig ist. Mir ist klar, dass täglich viele, viele Tiere sterben. Aber komplett unabhängig davon, darf ich den Tod meines Huhns betrauern. Wer entscheidet, dass man um einen Hund trauern darf, aber ein Meerschweinchen einem weniger zu bedeuten hat. Wieso ist es ok um eine Katze zur trauern, aber bei einem Huhn soll man mal die Kirche im Dorf lassen? Darf nicht jeder selber entscheiden, welcher Verlust einem nahe geht, ohne dass andere darüber urteilen?

Es sagt so unglaublich viel über die Menschen aus, die sich erheben und mit dem Finger auf einen zeigen. Vielleicht auch der Grund, wieso ich meine Zeit oftmals lieber mit Tieren als mit Menschen verbringe. 

Und ihr seht, so nimmt dieser Text noch eine kleine Kurve mit. Von der Trauer um ein Tier, hin zu einem Gefühl von Weltschmerz. 

Ich habe viele Gedanken dazu in meinem Kopf, aber länger möchte ich diesen Text für den Moment nicht werden lassen. 

Ich werde dazu sicherlich noch mal gesondert schreiben. 

An dieser Stelle danke für eure Zeit. Danke fürs Lesen und mitfühlen. Danke, dass ihr in meinem Inneren Circle seid, wo ich auch für mich den Raum finde, mir diese Dinge von der Seele zu schreiben und Euch an diesen Gedanken teil haben zu lassen. Danke, dass es euch gibt.

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